Das passt so
Ich habe mein Vorbild für die Weihnachtszeit gefunden. Gestern am späten Nachmittag
war es. Es war ein feuchtkalter Nebeltag; ich stand am Küchenfenster und sah auf den
Spielplatz hinunter, auf dem kein einziges Kind spielte, das Wetter war so überhaupt
nicht einladend.
Da trat ein Mann auf, der durch einige mitgeführte Ausrüstungsgegenstände als
jemand zu erkennen war, der für Müllbeseitigung und Ordnung zuständig ist. Große
Mullsäcke, ein Greifer, eine Harke, so etwas. Außerdem trug er robuste
Arbeitskleidung, die Sache war ziemlich klar. Es hat nun nicht viel Sinn, im November
auf einem Spielplatz Müll aufsammeln zu wollen, da ist kaum jemand, der Müll macht,
aber vielleicht war es der benachbarte Kirchhof, der in seine Zuständigkeit fiel, was
weiß ich. Es ist auch egal.
Denn der Mann kümmerte sich sowieso nicht um Unrat. Er sah sich um, stellte sein
Zeug ab, ging zur Schaukel und sah sie einen Moment an. Dann setzte er sich darauf,
wie es jemand tut, der schon lange nicht mehr geschaukelt hat. Es war ein großer und
schwerer Mann, er setzte sich ganz vorsichtig. Und dann nahm er etwas Schwung und
schaukelte. Das wäre bis dahin nicht weiter erstaunlich, man wird ja mal schaukeln
dürfen. Aber wissen Sie was, er schaukelte, bis es dunkel wurde, er schaukelte über
eine Stunde lang. Mit nur wenig Schwung, ernsthaft und versonnen, mit beiden
Händen an den Ketten, wie es sich gehört, und ganz für sich.
Dann wurde es dunkel und ich konnte ihn nicht mehr sehen. Er hat seinen eigentlichen
Auftrag sicher nicht erfüllt, aber ich nehme seinen Auftritt jetzt gerne als Hinweis – im
Dezember einfach mal irgendwo nicht mitmachen und zur Ruhe kommen. Mit wenig
Schwung, ernsthaft und versonnen. Ich glaube, das passt so.
Maximilian Buddenbohm
